Der MutMachKongress holt das Tabuthema Abschied, Tod und Trauer ins Leben

Zum ersten Mutmachkongress hatte Gisa Sendfeld aus Nienborg am Samstag ins Ahauser Kulturquadrat eingeladen. Und viele kamen. Der Höhepunkt des Tages war aber Franz Müntefering, der extra aus Berlin angereist war.

Im Foyer des Kulturquadrats warteten überraschend viele Aussteller, die sich auf dem ‚Markt der Möglichkeiten‘ irgendwie mit dem Sterben und dem Umgang mit dem Tod auseinandersetzen: Ein Bestattungsunternehmen, Floristen und Bücherladen waren erwartungsgemäß auch vertreten. Aber eine Tätowiererin war die Überraschung.

„Manche Menschen möchten mit einem Tattoo die Verbundenheit mit dem Verstorbenen zeigen. Das kann ein Symbol sein, aber auch der liebe Gruß in der Handschrift des Angehörigen. Selbst der Fingerabdruck ist möglich“, so die Fachfrau.

„Den Fingerabdruck gibt es auch bei uns,“ hieß es am nächsten Stand eines Bestattungsunternehmers. Der wird zu einem Amulett verarbeitet. Eine andere Möglichkeit ist, aus der Asche des Toten einen Diamanten pressen zu lassen oder sie in einem Kristall zu verarbeiten.

An einem anderen Stand ging es um die ganz ‚normale‘ Begräbniskultur, nämlich um Grabsteine. Auch da gibt es mittlerweile viele Möglichkeiten und Variationen.

Eine besondere Art mit dem Tod ihres Mannes umzugehen stellte eine Frau vor, die aus den Hemden ihres verstorbenen Gatten Kissen, Taschen, Lätzchen und vieles mehr hergestellt hatte.

Und das ist das Thema von Gisa Sendfeld: In ihrer „Mutmachwerkstatt“ in Nienborg will sie Raum geben für Trauernde, mit ihrem Leid umzugehen. Eine besondere Gruppe sind die Kinder, die ein Elternteil oder Geschwister verloren haben. Sie können malen, schreiben, singen, auch tanzen um ihren Gefühlen Ausdruck zu geben. Sie durften auf der Bühne der Stadthalle ihre ganz persönlichen Ergebnisse vorstellen.

Den ganzen Morgen über gab es ein Bühnenprogramm mit Talks und Gesang. Da war die Gruppe ‚Singfonie‘ aus Nienborg und der Chor ‚Si Tacemus‘ aus Lünten, die auch bei Trauerfeiern auftreten.

Am Nachmittag kam dann der Überraschungsgast. Das politische Urgestein und Ex-SPD Vorsitzende Franz Müntefering. Er hatte ein Buch geschrieben mit dem Titel ‚Nimm das Leben, wie es ist. Aber lass es nicht so.‘ Gisa Sendfeld hatte ihm das Programm des Tages geschickt und gefragt, ob er etwas dazu beitragen könnte. Und zu ihrer großen Freude hatte er zugesagt.

„Ja, zu den Themen Tod und Sterben kann ich viel sagen“, so der 84jährige. Und er erzählte vom Tod seiner Eltern und einem Freund, der bei einem Unfall gestorben ist. „Als meine Frau die Diagnose ‚Krebs‘ bekam, habe ich meine Ämter in der Regierung Schröder niedergelegt und mir Zeit für meine Frau genommen. Ein dreiviertel Jahr hat es gedauert, bis sie gestorben ist. Ihre zwei Töchter und ich haben sie bis zum Schluss begleiten können.“

Aber ein anderes Thema war ihm auch wichtig: „Der Tod ist nur ein ganz kleiner Teil im Leben, das Leben vorher ist viel wichtiger. Haben sie Mut zum Leben.“ Und dann wurde er heftig: „So ein Unsinn, was soll der Begriff Ruhestand?! Als ob mit 65 den Schalter umlegen könnte und nichts mehr tun. Bleiben Sie aktiv! Sie werden gebraucht in den Parteien, Vereinen und Ehrenämtern!“

Locker und humorvoll berichtete er von Erlebnissen aus seiner Kindheit und auch aus der Politik.

Gisa Sendfeld und das Publikum dankten ihm mit einem herzlichen Applaus.