Zu einem weiteren Teil der „Ahauser Schloßgespräche“ war Prof.Dr. Heribert Prantl eingeladen. Prantl, Jurist und Journalist, Chef für das Resort Innenpolitik bei der Süddeutschen Zeitung, zuvor Staatsanwalt und Richter hatte als Thema für den Abend: Kranke Häuser- bittere Medizin. Es sollte um die Ökonomisierung des Gesundheitswesens gehen. Stattdessen begann Prantl mit persönlichen Geschichten am Beispiel seiner Eltern. „Ich bin froh, dass meine Eltern schon tot sind“ Die Vorstellung in Zeiten von Covid 19 die Eltern am Sterbebett nicht besuchen zu können, in seinen Augen eine elementare Geste der Menschlichkeit, hätte er nicht ertragen. Er hätte vor Gericht eine einstweilige Verfügung erstritten.
Hilfsbedürftigkeit gehört lt. Prantl zum Menschsein. Dass Demenz nicht neu ist, lernen wir schon bei „King Lear“. Aber unsere Gesellschaft lässt Alte nicht in Würde alt und „verrückt“ werden. In einem Jahrhundert haben wir bis zu 20 Jahren an Lebenszeit gewonnen. Wenn wir diese Lebenszeit nicht als Freizeit sondern als soziale Zeit nutzen, wird es unsere Gesellschaft menschlicher machen.
Prantl hielt ein Plädoyer gegen die Ökonomisierung des Gesundheitswesens und gegen die „Vertriebswirtschaftlichung“ der Medizin. Gegen ein Gesundheitssystem, indem der Patient danach beurteilt wird, was sich an ihm verdienen lässt.
Fallpauschalen wurden eingeführt, Liegezeiten verkürzt und Bettenkapazitäten nach dem „Just-in-time-Prinzip“ berechnet.
Patienten werden eingeteilt in „Poor Dogs“, das sind Patienten an denen das Krankenhaus nicht verdient, womöglich sogar Verluste macht. Dazu zählen betagte Patienten mit vielen Krankheiten und chronisch Kranke.
Die „Cash Cows“, die andere Gruppe, sind die Patienten mit denen man satte Gewinne machen kann mit Transplantationen, künstlichen Gelenken.
Für Kranke sind Faktoren wie Zeit, Einfühlsamkeit, Geborgenheit, Barmherzigkeit wichtig. Diese spielen in den wirtschaftlichen Programmen der „30-jährigen Bubis der Betriebswirtschaft“ keine Rolle. Operative Leistungen sind lukrativ, nicht das „Kümmern“.
Kaiser Franz II hat 1784 in einem neu errichteten Krankenhaus eine Tafel anbringen lassen: In diesem Haus sollen Patienten geheilt u n d getröstet werden.
Das funktioniert nicht mehr in den Häusern in denen die „Bedürfnisse des Shareholders mehr zählen als die Bedürfnisse der Patienten“, Häuser in denen alles auf Gewinnmaximierung getrimmt ist. Eine Medizin ohne Menschlichkeit und Wärme, die nur dem hemmungslosen Profit frönt. Eine Medizin in der Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden, sollte nicht die Zukunft unseres Gesundheitssystems sein.
Aber: Gibt es das Gesundheitswesen, das den Spagat zwischen Bezahlbarkeit und medizinischer Versorgung auf höchstem Niveau, mit höchster Empathie und kürzesten Wartezeiten schafft?